Form folgt Liebe: Anna Heringer auf dem Klimafestival

28. November 2024

Von Maximilian Hinz

Foto: Heinze GmbH, Marcus Jacobs

Den Abschluss des Klimafestivals 2024 in Berlin läutete Architektin Anna Heringer mit ihrem Vortrag „Form follows Love“ ein. Unter dem Motto dieser schon häufig zurechtgebogenen Phrase der jüngeren Architekturhistorie hielt sie ein Plädoyer gegen Funktionsfetischismus und für Sinnlichkeit; gegen linearen Ressourcenverbrauch und für Kreisläufe; gegen anonyme Player und für menschliche Beziehungen im Bauprozess.

Heringer begann ihren Input mit Bildern einer ungewöhnlichen Exkursion. Gemeinsam mit Studierenden der ETH Zürich verbrachte sie eine Nacht im Wald – ohne feste Behausungen. Diese mussten die angehenden Architekt*innen aus in der Natur gefundenen Materialien kurzerhand selbst konstruieren. Ihre Botschaft: „Die Natur hält alle Ressourcen für uns bereit, wir müssen sie nur sensibel einsetzen.“

Wer mit der Arbeit der Naturbaustoff-Expertin Heringer vertraut ist, weiß natürlich, dass es ihr nicht nur um ökologische Aspekte geht – sondern vor allem auch um die sozialen Potenziale des Bauens an sich. Anhand ihrer METI School, die sie gemeinsam mit Eike Roswag-Klinge in Bangladesch umgesetzt hat, bringt sie es auf eine einfache Gleichung: lokale Materialien (Lehm und Bambus) plus lokale Energie (die Menschen) plus globales Wissen (also hier die Melange des deutschen Planungsteams und lokaler Bautechniken).

Lehm beschreibt Heringer dabei als Alleskönner. Die natürliche Ressource ist weltweit verfügbar und der Inbegriff zirkulären Bauens. Es sei aber auch ein inklusives Material, so Heringer, derart einfach zu bearbeiten, dass sogar Kinder mit ihm umgehen können. Entsprechend entstand die METI School durch die örtliche Gemeinschaft selbst: Alte, Junge, Männer, Frauen, alle konnten auf der Baustelle mitwirken. Das löse ein Gefühl der Selbstwirksamkeit aus, berichtet die Architektin. Welch kindische Freude dabei aufkommt, zeigte sie dem Publikum in einem kurzen Video, in dem Frauen gleichsam bauen und tanzen – Gefühle, die kein 3D-Drucker erzeugen könne.

Die Wahl des Materials sei also keine rein ästhetische Entscheidung. Vielmehr bestimmen Architekt*innen damit, wer von einem Bauprojekt profitiert. Sind es mächtige Akteure der Bauwirtschaft oder die Menschen vor Ort? Indem man das Geld für den Bau der Bangladescher Schule – das sonst an internationale Firmen fließen würde – an die Mitwirkenden zahlte, wurde es in die Gemeinschaft reinvestiert, erklärte Heringer.

Auch in Deutschland und Österreich realisierte die Architektin aus dem bayrischen Laufen Projekte, die als gemeinschaftlicher Selbstbau entstanden. Darunter ein selbst gestampfter Lehmaltar für den Wormser Dom; und ein Gebährraum, den ausschließlich Frauen errichteten. Ohnehin tritt Heringer für mehr „weibliche Elemente“ in der Architektur ein. Statt bloßer Funktion und einer Fokussierung auf das pure Ergebnis brauche es Intuition, Sorge, Empathie und Wertschätzung für den Prozess.

Foto: Heinze GmbH, Marcus Jacobs

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