Zirkulär bauen mit Lindner: Gebrauchtes zurücknehmen, Neues vermieten

13. Juni 2023

Montage der LOOP-Platten. Credit: Beat Ernst via Lindner Group

Die Lindner Group aus Arnstorf baut ihr Engagement im Bereich nachhaltiges Bauen weiter aus: Mit der Aufbereitung gebrauchter Bodenplatten und der Vermietung kreislauffähiger Systemprodukte will das Unternehmen dazu beitragen, den Energie- und Ressourcenverbrauch während des Bauens sowie im späteren Betrieb einzudämmen. Dabei setzt der Komplettanbieter für Innenausbau, Gebäudehülle und Isoliertechnik auf die Verwertung von Restmaterial: Als Rohstoff wird dieses entweder im eigenen Produktionsprozess oder aber aus dem externen Materialkreislauf gewonnen.  Das neu eingeführte Mietmodell LinLoop sichert dem Unternehmen hierbei künftig den Schnellzugriff auf eigene Gebraucht-Produkte. Wie die einzelnen Angebote ineinandergreifen, verraten Ralph Peckmann und Harald Mezler von Lindner im Interview.

LinLoop: Zirkuläre Produkte mieten oder zurückgeben

Mieten oder Kauf mit Rückgabe – beide Möglichkeiten bietet das neue LinLoop-Modell der Lindner Group aus Arnstorf: Reversible Ausbauprodukte wie Doppelbodensysteme können hierbei für fünf bis zehn Jahre gemietet und nach Ablauf des Vertrags an den Hersteller zurückgegeben werden. Mietbar sind Deckensegel und Lamellendecken, Schallabsorber, Heiz- und Kühldeckenvarianten sowie Doppelboden- und Hohlbodensysteme. Zudem können Wand- und Türlösungen gemietet werden.  Der Vorteil:  Kunden haben kein Entsorgungsrisiko und verbessern außerdem ihre Liquidität, da keine Vorfinanzierung nötig ist. Dies verkürzt die Bilanz und erhöht zugleich die Eigenkapitalquote. Vor allem aber leisten die Mieter einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz. Alternativ können die Produkte gekauft und nach einer gewissen Zeit wieder an Lindner zurückgegeben werden. Harald Mezler, Geschäftsführer der Lindner GmbH im österreichischen Baden, über die Details.

Harald Mezler, Credit: Walter Luttenberger via Lindner Group

Warum ist es für Kunden sinnvoll, Lindner-Systemprodukte nur zu mieten und nicht zu kaufen?

Harald Mezler: Zuerst einmal gehen unsere Kunden von einer begrenzten Nutzungsdauer aus. Dann hat es finanzierungstechnische, ideelle und Einsparungsgründe. Ideell natürlich, weil es ein aktiver Beitrag zur Kreislaufwirtschaft ist. Mit diesem Modell wird sichergestellt, dass die Produkte entsprechend der tatsächlichen Nutzungsdauer im Umlauf bleiben. Das senkt natürlich auch den CO2-Fußabdruck.

Haben Sie Zahlen dazu, wie viel CO2 es einsparen kann, Systemprodukte künftig zu mieten statt zu kaufen?

Exemplarisch haben wir das für den Doppelboden aus Calciumsulfat gerechnet. Da erspart man sich durch die Rückgabe 42% der CO2 -Äquivalenz. Wenn das Produkt im Kreislauf geführt wird, also wieder vermietet, dann sind wir bei 72% Einsparung.

Was genau hat es mit den finanziellen Vorteilen auf sich?

Zum einen hat man von Beginn an eine Lebenszyklusbetrachtung inklusive Demontage. Dabei ersparen sich unsere Kunden die Entsorgung, da wir die Materialien ein weiteres Mal verwenden. Und den Restwert berücksichtigen wir bei der Kalkulation. Das ist ein Vorteil, den unsere Kunden auch bei unserem Geschäftsmodell „Kauf mit Rückgabe“ haben. Zum anderen ersparen sich unsere Kunden die Vorfinanzierung und zahlen so aus dem laufenden Cashflow. Auch die Umsatzsteuer ist nur mit der jeweiligen Miete fällig. Dieses zyklische Geschäftsmodell bringt auch in jeder Gebäudezertifizierung und EU-Taxonomie-Bewertung wertvolle Punkte. Das Mietmodell beinhaltet Montage, Demontage sowie eine jährliche Inspektion.

Während der Sanierung des Wiener Parlamentsgebäudes wurden temporäre Büros errichtet, in denen LOOP-Platten zum Einsatz kamen. Credit: Markus Bstieler via Lindner Group

Was passiert im Fall einer Beschädigung des Produktes während der gemieteten Zeit?

Wenn die Beschädigung durch den Benutzer verursacht wird, also z.B. der Bruch einer Glasscheibe, dann trägt das im Regelfall die Versicherung des Mieters. Wenn es sich um eine Wartungsarbeit handelt, z.B. eine Tür klemmt oder eine Doppelbodenplatte wackelt, wird das von uns über den Wartungsvertrag erledigt. Wenn ein Teil im Zuge der normalen Benutzung kaputtgehen sollte, dann wird das von uns ausgetauscht.

Inwiefern kann eine Etablierung des Mietmodells dazu beitragen, mehr gebrauchte Produkte von Lindner in Umlauf zu bringen?

Das passt perfekt zusammen. Mit dem Mietmodell wollen wir in Richtung Innenausbau als Service gehen. Das heißt, dass wir dem Kunden den Nutzen unserer Produkte und nicht das Produkt an sich zur Verfügung stellen. Dann spielt es keine Rolle, ob ein Produkt gebraucht oder neu ist, solange es den Ansprüchen des Nutzers entspricht. Zudem gibt es beim Mieten keinen Besitzübergang. Auch das erleichtert den Schritt zu gebrauchten Produkten. Denn wenn das Produkt bei korrekter Nutzung kaputtgehen sollte, wird es ersetzt. Damit fällt eine große Sorge weg, die es sonst beim Kauf gebrauchter Produkte gibt.

Neben der Vermietung bieten Sie auch den Kauf mit Rückgabevereinbarung an. Was muss man sich darunter vorstellen?

Bei diesem Modell zahlt der Kunde den gesamten Preis und ist vollständiger Eigentümer. In einer zusätzlichen Vereinbarung zum Kaufvertrag werden dann die Vertragsgegenstände definiert, für die sich beide Seiten zur Rückgabe bzw. zum Rückkauf verpflichten. Unser Kunde erhält einen Restwert für die zurückgegebenen Produkte. Das deckt im Regelfall zumindest den Rückbau, um den sich Lindner kümmert.

Wann erfolgt die Rückgabe?

Je nach Vereinbarung nach zehn bis 30 Jahren. Die Ankündigung der Rückgabe sollte mindestens zwölf Monate vorher erfolgen. Auf Wunsch kann ein Vertrag zur jährlichen Wartung abgeschlossen werden.

LOOP-Platten wurden beim Innenausbau des High Tech Campus in Villach verwendet. Credit: Walter Luttenberger via Lindner Group

ReUsed-Products: Zweite Chance für gebrauchte Lindner-Bodenplatten

Es ist paradox: Eigentlich könnte eine NORTEC-Doppelbodenplatte von Lindner bis zu 50 Jahre genutzt werden. Umbauten und Sanierungen aber führen häufig zu verkürzten Nutzungszeiten von weniger als zehn Jahren. Gut erhaltene Bauprodukte landen dadurch viel zu oft im Container. Um dieser Verschwendung entgegenzutreten, nimmt die Lindner Group gebrauchte Bodenplatten konsequent zur Aufbereitung zurück. Ziel des ReUsed-Angebotes ist es, Ressourcen zu schonen, das Klima zu schützen und den Kunden einen Mehrwert zu bieten. Ralph Peckmann, Geschäftsbereichsleitung Boden bei Lindner, stellt das Konzept vor.

Ralph Peckmann, Credit: Lindner Group

Seit wann bietet Lindner die Rücknahme und Aufbereitung von Bodenplatten an?

Seit 2021. Ganz nach dem Circular-Economy-Gedanken verwenden wir Produkte und Materialien am Ende ihrer Nutzungsdauer weiter. So können wir Abfall vermeiden sowie Emissionen und Ressourcen einsparen. Der Geschäftsbereich Boden beschäftigt sich seit mehr als 12 Jahren mit dem Thema nachhaltiges Bauen. So haben wir bereits im Jahr 2010 die erste Ökobilanz erstellt und nur ein Jahr später das erste CO2 -neutrale Doppelbodensystem auf den Markt gebracht. Das Rücknahmeangebot für Lindner Bodensysteme sowie mehrere Zertifizierungen nach dem Cradle to Cradle Certified® Produktstandard waren für uns selbstverständliche Schritte der Weiterentwicklung.

Wie kommen Sie an das Material zur Aufbereitung heran?

Wir haben uns ein stabiles Netzwerk aus Kunden, Entsorgern und externen Partnern aufgebaut. Wer ein Gebäude saniert und auf einen gut erhaltenen Doppelboden gestoßen ist, kann sich bei uns melden. Wir begutachten die Platten, die übrigens auch von Mitbewerbern stammen können, und unterbreiten ein Angebot. Mit der Lieferung der gebrauchten Bodenplatten an uns werden die Kosten für Gebäudeeigentümer oder Entsorger wesentlich geringer ausfallen als bei der sonst notwendigen Deponierung. So kann ein Entsorger zwischen 5 und 12 Euro pro Quadratmeter an Kosten einsparen, wenn wir die Platten zurücknehmen.

Wie hoch sind Ihre Kapazitäten für eine solche Aufbereitung?

Jeweils 50.000 m² pro Jahr an unseren Standorten in Arnstorf und Dettelbach.  Derzeit übersteigt die Nachfrage nach diesen Platten allerdings unser Angebot. Uns stehen nicht immer genügend gebrauchte Platten zur Aufbereitung zur Verfügung.

In Zahlen ausgedrückt: Wie viele dieser Platten haben Sie seither wieder  in Umlauf gebracht?

Mehr als 30.000 m². Das entspricht bei ca. 17 kg CO2 pro Quadratmeter einer Einsparung von über 500 t CO2 .

Aufbereitung der Lindner LOOP-Bodenplatten. Credit: Lindner Group

Welche Voraussetzung muss eine Bodenplatte erfüllen, um aufbereitet werden zu können?

Wichtig ist ein guter Gesamtzustand. Ab Ende 2024 nehmen wir auch Anschnitt- und Ausschnittplatten an. Die Platten sollten schadstofffrei sein (ggf. mit Nachweis) und einen Kern aus Gipsfaser, Holzwerkstoff oder Aluminium besitzen. Der Hersteller ist dabei egal. Die exakte Beschaffenheit sowie Anforderungen an die Verpackung haben wir in einem One-Pager beschrieben.

Welche Qualität haben die fertig aufbereiteten Platten?

Unsere ReUsed-Platten weisen die gleichen bauphysikalischen Eigenschaften hinsichtlich Statik, Brand- und Schallschutz auf wie neue Produkte. Allerdings ist die CO2 -Bilanz um mehr als 70% besser. Und auch für uns rechnet sich der Aufwand: Das Ergebnis, das wir mit den ReUsed Products erzielen, ist vergleichbar mit dem der neuen Platten.

Lindner möchte demnächst auch Gipsplatten recyceln. Wie ist da der neueste Stand?

Dank eines neuen, patentierten Verfahrens können wir Gips aus Gipskarton- und -faserabfällen  reaktivieren. Das Projekt läuft und liegt im Plan. Die Inbetriebnahme wird im 2. Halbjahr 2024 sein.

Die Fragen stellte Andrea Hackenberg

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