Neuer Holzmassivbau für Senckenberg-Insektenforscher

30. März 2023

Visualisierung des neuen Forschungsgebäudes. Abbildung: PASD Architekten

Die Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung baut ihren Forschungsstandort für Entomologische Studien im brandenburgischen Müncheberg aus. Ein dreigeschossiger Erweiterungsbau in Holzmassivbauweise wird an das Bestandsgebäude angeschlossen. Das im Rahmen des „Innovationsprojektes SDEI Müncheberg“ entstandene Objekt soll besonders energieautark werden und setzt auf ausgeklügelte Haustechnik. Bezugsfertig ist der Neubau Ende 2023. Künftig sollen dort die Senckenberg InsektenforscherInnen des Deutschen Entomologischen Instituts (SDEI) untergebracht werden.

An dem Projekt maßgeblich beteiligt sind zahlreiche Architektur- und Ingenieurbüros aus Deutschland und Österreich. Für die Holzbauweise verantwortlich sind vorrangig der Bauteilhersteller THOMA und das Haustechnikbüro FIN (Future Is Now) unter Mitarbeit des Bauphysikbüros Zauner, alle aus dem Salzburger Land, sowie das Architekturbüro PASD aus Hagen.

Bezugsfertig wird der dreistöckige Neubau für die Senckenberg-InsektenforscherInnen Ende dieses Jahres. Foto: Senckenberg/Tränkner

Der Neubau entsteht auf der Basis des einzigen, nachwachsenden Baustoffs, der eine positive CO2-Bilanz aufweist: massives unbehandeltes Holz, gewonnen aus nachhaltiger und heimischer Forstwirtschaft. Das rund 25 Meter lange, 15 Meter breite und 11 Meter hohe Forschungsgebäude setzt oberirdisch vollständig auf naturbelassene, leimfreie und massive Holzbautafelbauweise. Rund 1.000 Kubikmeter Holz werden zur Errichtung der Wände, Decken, Treppen und sogar des Aufzugschachtes verwendet. In Verbindung mit einer – bisher in Europa einmaligen – Kombination von drastisch reduzierter und innovativ angewendeter Haustechnik entsteht so bis November 2023 ein emissionsfreies und energieautarkes Gebäude mit bisher nicht erreichten geringen Unterhalts- und Betriebskosten.

Nur etwa 70 Prozent der sonst benötigten Haustechnik werden in dem neuen Forschungsgebäude eingesetzt. Eingespart werden Heizkörper und Fußbodenheizung, Dämmung und Klimaanlage. Das Haus wird laut Planung bei Außentemperaturen zwischen Minus 20 und plus 40 Grad Celsius angenehme und stabile Innenraumtemperaturen zwischen 20 und 24 Grad Celsius einhalten – ohne aufwändige Regelungstechnik.

Bauherrenvertreter und Gesamtprojektsteuerer ist der mit der Senckenberg-Bauabteilung in Frankfurt am Main zusammenarbeitende Architekt Joachim Fritz Schneider. „Wir mussten für das Gebäude zahlreiche Befreiungen von den auf konventionelle Bauweisen orientierte Brandschutz- und Wärmeschutzgesetzen beantragen“, erzählt er. „Beim erforderlichen Brandschutz konnten wir mit unserem Baumaterial Holz die brandschutztechnischen Auflagen für den Bau sogar für eine höhere Gebäudeklasse problemlos erfüllen. Im Brandfall verkohlt bei stärkerem Massiv-Holz nämlich häufig nur die oberste Schicht der beflammten Seite und es bildet sich eine Schutzschicht, die ein tieferes Eindringen des Feuers in das Bauwerk verhindert.“ Massivholzelemente würden daher oft weit höhere Feuerwiderstandszeiten als Beton erreichen. Und Holz transportiere im Gegensatz zu beispielsweise Stahlbeton eine auf der beflammten Seite entstehende Hitze nicht so schnell und intensiv auf die Rückseite der Wand. „Nach nur einer Stunde ist die Innenseite einer von außen mit Temperaturen von 1000 Grad Celsius brennenden Betonwand bereits rund 600 Grad Celsius heiß“, so Schneider. „Bei gleichen Bedingungen zeigt eine gleich starke Massivholzwand durch ihre natürliche, langsame Temperaturweiterleitung nur eine Oberflächenerwärmung von weniger als 3 Grad Celsius.“

Rund 1.000 Kubikmeter Holz werden zur Errichtung der Wände, Decken, Treppen und des Aufzugschachtes verwendet. Foto: Senckenberg/Tränkner

Der Inbetriebnahme des Gebäudes wird ein zweijähriges Monitoring folgen, das sämtliche spezifischen bauphysikalischen Gebäudedaten ermittelt und – für folgende innovative Neubauten – als Grundlage für weitere Verbesserungen dient.

Rund 150 Quadratmeter Bürofläche, 240 Quadratmeter für entomologische Alkohol-Sammlungen und etwa 270 Quadratmeter für Labore stehen den knapp 30 Senckenberg-Beschäftigen am Standort Müncheberg künftig zur Verfügung. Darunter auch zwei spezielle DNA-Labore, um empfindliches, altes Erbgut zu sequenzieren. „Rund um unser neues Holzgebäude werden wir eine naturnahe und insektenfreundliche Umgebung mit regionalen, bei Schmetterlingen und Co beliebten Pflanzen gestalten“, so Prof. Dr. Thomas Schmitt, Direktor des Senckenberg Deutschen Entomologischen Institut in Müncheberg. „Dabei kommen auch einige, beim Aushub der Baugrube freigelegte Findlinge zum Einsatz. Auf verschiedenen Tafeln werden wir zudem künftige BesucherInnen über die Maßnahmen zur Förderung der regionalen Insektenvielfalt sowie über die geologische Vergangenheit des Standortes informieren.“

„Senckenberg verlässt mit dem Innovationsprojekt den üblichen Weg, ein Gebäude in Stahlbeton und Mauerwerk zu errichten“, ergänzt Prof. Dr. Klement Tockner, Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung. „Damit lassen wir eine Bauweise hinter uns, die für knapp die Hälfte aller weltweiten CO2-Emissionen, für den Verbrauch endlicher Ressourcen sowie die Entstehung von mehr als 60 Prozent des weltweiten Abfalls verantwortlich ist. Im Vergleich zu einem herkömmlichen Gebäude, welches die Energienormen voll erfüllt, werden in unserem Neubau bereits in einem Zeitraum von nur 50 Jahren über 95 Prozent der anderenfalls anfallenden Umweltbelastungen vermieden. Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung wird so zur Vorreiterin des ökologischen und nachhaltigen Bauens im Sektor Forschung und Öffentlicher Dienst.“

Die Veröffentlichung von Text und Bildern erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung.

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