„Früher oder später wird jeder Hersteller nach EPDs gefragt“

22. März 2023

Credit: IBU

Sie liefern die Datengrundlage für nachhaltiges Bauen  – Environmental Product Declarations, kurz EPDs. Anfangs noch ein Nischenthema für ökologisch engagierte Baupioniere, erobern sie inzwischen den Markt. Doch wie arbeiten Architekten und Planer mit diesem freiwilligen Standard, und was haben Hersteller davon? Hans Peters und Stefan Zwerenz vom Institut für Bauen und Umwelt (IBU) über ein Umweltkennzeichen, das sich nicht von selbst erklärt.

Bauwende-News: Herr Zwerenz – was ist eine EPD?

Stefan Zwerenz: Eine EPD ist ein glaubhaftes, transparentes und nicht wertendes Informationsinstrument. Ein vorhandenes Bauprodukt kann mit Hilfe von EPDs digital über den gesamten Lebenszyklus hinweg hinsichtlich seiner Umweltauswirkungen abgebildet werden. Sie sind ein seit über 20 Jahren ein etablierter, freiwilliger Standard. In Zukunft wird es gesetzliche Anforderungen geben, um diese Umweltinformationen zu transportieren.

Was ist der Hintergrund?

Hans Peters: Die künftige EU-Bauprodukteverordnung wird verlangen, dass in Herstellererklärungen umweltrelevante Informationen vorhanden sein müssen. Daneben ist der Anspruch der Bauschaffenden, möglichst umweltverträglich zu bauen, in letzter Zeit drastisch gestiegen. Wir bekommen von immer mehr Architekten signalisiert, dass sie umweltfreundlicher bauen wollen.

Hans Peters

IBU-Geschäftsführer Hans Peters

Wie gut sind Architekten und Planer Ihrem Eindruck nach über die Arbeit mit EPDs informiert?

Peters: Ich sehe aktuell einen großen Schulungsbedarf. Jeder klassische Architekt, der länger als fünf Jahre praktiziert, ist in dieser Richtung nicht, oder nur rudimentär ausgebildet worden. Selbst an einigen Hochschulen wird noch von „umweltfreundlichen Bauprodukten“ gesprochen, und das ist falsch. Wir vom IBU bieten daher Schulungen an, die auch von den Architektenkammern anerkannt werden.

Wieso geben EPDs keine Auskunft über „umweltfreundliche Bauprodukte“?

Peters: Im Bauwesen ist Funktionalität wichtiger als in vielen anderen Bereichen, wenn wir über Nachhaltigkeit reden. Ein Dach muss in erster Linie funktional, also dicht sein. Ein undichtes Dach kann eine gute Ökobilanz haben, trägt aber nichts zur Funktionalität des Gesamtgebäudes bei. Die zweite Ebene ist die Funktionalität der Konstruktion, und am Schluss die Funktionalität eines Baustoffes. Diese drei Schritte zusammen geben Aufschluss über die Nachhaltigkeit eines Gebäudes. Es geht nicht um die Umweltfreundlichkeit eines Produktes, sondern um die Umweltauswirkungen über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg.

Zwerenz: Oder nehmen wir das Beispiel Fenster. Ein Fenster hat den Zweck, eine Sichtverbindung nach außen zu schaffen. Die wenigsten Umweltwirkungen hätte ein Loch in der Wand. Sinnvoller ist es, sich für ein Fenster zu entscheiden – und da gibt es unterschiedliche Typen, die unterschiedliche technische Eigenschaften erfüllen. Und die könnte man unter Voraussetzung der gleichen Rahmenbedingungen miteinander vergleichen.

Wie können ArchitektInnen und PlanerInnen sinnvoll mit EPDs arbeiten?

 Zwerenz: Das geht sowohl inhaltlich wie handwerklich. Inhaltlich gibt es z.B. EPDs mit Durchschnittswerten um bei der Planung direkt mit Variantenvergleichen zu starten. Handwerklich ist es so, dass von jeder unserer EPDs ein digitaler Zwilling erstellt wird. Dieser kann in Softwaretools eingegeben werden, mit denen Architekten Baukonstruktionen auf Grundlage von EPDs erstellen lassen können. Ein Beispiel für so eine Software ist das kostenlose Tool Bauteileditor der Bundesregierung.

Stefan Zwerenz ist Leiter der Verifizierungsstelle des IBU.

Welche Vorteile haben EPDs für Hersteller von Bauprodukten?

Zwerenz: Fast jeder Hersteller kommt früher oder später in die Lage, dass er nach EPDs gefragt wird. Oft rufen Vertriebsmitarbeiter bei uns an, die Sorge haben, dass ihnen ein bestimmtes Projekt entgeht, weil sie keine EPDs ausweisen können. Dann muss es immer sehr schnell gehen.

Wie lange dauert es, bis eine EPD erstellt ist?

Zwerenz: Das kommt auf die Vorarbeit des Herstellers an. Manche wissen sehr genau, welche Ressourcen in ihr Produkt eingehen, da geht es schnell. Andere haben kein funktionierendes Monitoring, da kann es ein Jahr dauern.

Welche Arten von EPDs können Sie für Hersteller ermitteln?

Zwerenz: Die Bandbreite reicht von Durchschnittswerten für eine Produktfamilie bis hin zu EPDS für ein spezifisches Produkt oder Projekt. Das IBU rechnet dabei aber nicht die Ökobilanz eines Produktes, sondern interpretieren die geltenden Regeln und machen unabhängige, wissenschaftlich fundierte Prüfungen. Unsere Glaubwürdigkeit ist das, was sich die Hersteller damit einkaufen.

Herr Peters, Herr Zwerenz – vielen Dank für das Gespräch.

Hans Peters ist Geschäftsführer des Instituts für Bauen und Umwelt (IBU), Stefan Zwerenz ist Leiter der Verifizierungsstelle des IBU.

Am Mittwoch, 18. April, sind beide zu Gast am Messestand von BauNetz und Heinze auf der BAU in München. Stefan Zwerenz hält einen Vortrag über „EPDs in der Baupraxis“ mit anschließender Fragerunde auf dem Grünen Sofa. Beginn ist um 13 Uhr an Stand EW08, Eingang West.

Beitrag teilen: