Das Potenzial begrünter Städte in Zeiten des Wandels
24. November 2023
Von Johannes Preuß
Wie sich das Stadtklima mit gezielter Bepflanzung verbessern lässt, war Thema bei der Talkrunde „Gebäudegrün – Lebensräume gestalten“ auf dem Klimafestival in Berlin. Ziel war es, Planerinnen und Planer darüber zu informieren, was sie künftig über die Bandbreite baulicher Lösungen wissen müssen.
Dr. Gunter Mann, Präsident Bundesverband Gebäudegrün e.V., leitete die Talkrunde mit einer kurzen Referenzperspektive ein: Das Leben in stark verdichteten Städten bringe angesichts des Klimawandels viele Herausforderungen mit sich. Veränderungen und Anpassungsmaßnahmen seien nötig, um Städte lebenswert zu halten. Die Begrünung von Fassaden und Dächern, Wasserspeicherung, Wasserrückhaltung, Regenwasserbewirtschaftung, Verdunstungskälte waren wichtige Stichworte. Aber auch kleine Maßnahmen, wie begrünte Bushaltestellen, Biodiversitätsdächer und Dachgärten, die als Lebens- Gemeinschafts- und Spielräume genutzt werden, steigern und erhalten die Qualität innerstädtischen Lebens.
Gründächer schützen vor Hagel und Extremtemperaturen, führte Mann weiter aus. Dachdecker würden bestätigen, dass Gründächer doppelt so lange halten wie konventionelle Flachdächer. Auch sei festgestellt worden, dass die Verdunstungskälte von Gründächern deutlich die Effizienz von Photovoltaikanlagen steigert. Gleichwohl seien im vergangenen Jahr nur 11% der gebauten Flachdächer in Deutschland als Gründächer ausgeführt worden. Die Hemmnisse: höhere kurzfristige Kosten, statischer Mehraufwand, Pflegekosten, Sorge vor Beschädigung.
Rudolf Lehmann von der Firma Jacob Rope Systems berichtete von realisierten Verschattungsprojekten durch Begrünung von öffentlichen Flächen mit Pergolen und Fassaden mittels Stahldraht-Seilsystemen. Dirk Braune von der Firma Austhrotherm Dämmstoffe informierte das Plenum über Vorteile und Möglichkeiten ganzheitlicher Flachdach- Dämmkonzepte. So würden XPS-Dämmstoff-basierte Umkehrdachsysteme für die Abdichtung ,Dämmung und Begrünung von Flachdächern bepflanzbare und sogar befahrbare Dachlandschaften ermöglichen.
Jonathan Müller von der Firma Helix Pflanzensysteme hat sich als Architekt auf ganzheitliche Begrünungskonzepte spezialisiert. „Planen, Bauen und Pflegen“ sei das Motto des Familienbetriebes. Er berichtete über realisierte Projekte und planerische Herausforderungen z.B. von vertikalen Gärten.
Dr. Pia Krause vom Fraunhofer Institut stellte den funktionalen Nutzen von unterschiedlichen Begrünungskonzepten in den Vordergrund. Nicht nur die Ästhetik, sondern vor allem die Funktion von Begrünungskonzepten für den Stadtraum sei wichtig, legte sie dar. Und stellte die Frage: Gebäudebegrünung erzeugt zwar ein besseres Mikroklima, aber ist es auch biodiversitätsfördernd? Es müsse die ökologische Qualität betrachtet werden: Wie resilient sind die Pflanzen, siedeln sich verschiedene Tiere und Pflanzen an? Was ist biodiversitätsfördernd und siedelt sich auch Spontanvegetation an? Auch „Unkraut“ an der Fassade und braune Stellen seien für Tiere als Rückzugsort wichtig, betonte die Expertin.
Fazit: Alle am Bau Beteiligten müssen systemisch denken, verstehen und gestalten, um unsere Städte lebenswert zu erhalten. Die Spannung von eher funktionalen Voraussetzungen, gestalterischen Anforderungen und finanziellen, gesetzlichen und planerischen Rahmenbedingungen müsse austariert werden. Dabei seien Aufklärung und Vernetzung wie beim Klimafestival nötig.
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