Technoide Spekulationen fürs Klima: Zur Hauptausstellung der 19. Architekturbiennale 2025 in Venedig

22. Mai 2025

Foto: Marco Zorzanello, Courtesy: La Biennale di Venezia

Kurator Carlo Ratti stellte den diesjährigen Hauptteil der wichtigsten Ausstellung in der Architekturwelt unter den Titel „Intelligens. Natural. Artifical. Collective“. Die über 300 Beiträge reichen von Elefantenmist über Roboter bis hin zum Atomreaktor. In mancherlei Hinsicht ist die Ausstellung problematisch, in ihrer Widersprüchlichkeit aber auch sehenswert. Nicht zuletzt stellt sie die Frage nach einem planerischen Selbstverständnis, das sich aktiv in die Gestaltung unserer Zukunft einbringt.

So eindrucksvoll und zugleich dystopisch hat schon lange keine Hauptausstellung der Biennale mehr begonnen. Eine dunkle Halle, mystisches Gegenlicht und die stickige Abwärme einer bedrohlichen Phalanx surrender Klimaanlagen empfangen im Arsenale. Wie wir momentan leben, ist nicht mehr akzeptabel, scheint uns Carlo Ratti zuzurufen. Dafür hat er eine Inszenierung des Büros Transsolar mit einer Installation der Fondazione Pistoletto kombiniert. 

Rattis Fokus liegt auf der Klimakrise, sein Credo ist eindeutig: Es genüge nicht mehr, dass sich die Architektur allein darauf konzentriert, ihren ökologischen Fußabdruck zu verringern, vielmehr müsse sie für eine veränderte Welt planen. 

Der Turiner Architekt steht für ein wissenschaftlich und technologisch orientiertes Planungsverständnis, das optimistisch in die Zukunft blickt und keine Berührungsängste mit Wirtschaft und Politik hat. Was dieser Lösungsansatz für die gestaltenden Disziplinen bedeutet, ist sicherlich eine der obersten Fragen, mit der uns diese Biennale konfrontiert. 

Foto: Marco Zorzanello, Courtesy: La Biennale di Venezia

Die über 300 Beiträge der Hauptausstellung im Arsenale ordnet Ratti entlang der drei Formen von Intelligenz: natürlich, künstlich, kollektiv. Um eine breite Vielfalt zu zeigen, hatte er im Vorfeld einen offenen Aufruf lanciert. Im Ergebnis stehen dann Boonserm Premthadas Ziegel aus Elefantendung, die Baubotanik des Münchner Office for Living Architecture, aber auch dezentrale Mini-Atomreaktoren von Pininfarina, newcleo und Fincantieri nebeneinander.

Man trifft auf Roboter, Bakterien und Myzele, Datenvisualisierungen und Unmengen neuer Materialien. Zuweilen erinnert die Ausstellung in diesem Bereich an eine Produktmesse. Wer wird am erfolgreichsten Prinzipien der Natur in marktgängige Produkte transformieren? 

Zugleich kristallisiert sich eine neue Ästhetik des Bauens heraus. So zeigt ein Team um Lola Ben-Alon, was passiert, wenn man das vernakuläre Wissen um das Bauen mit Erde und Pflanzenfasern mit Künstlicher Intelligenz und 3D-Druck zusammenbringt – eine eigentümliche Mischung aus High-Tech und afrikanischer Hütte. 

Provokativ und geradezu zynisch präsentiert sich der Beitrag von BIG. Während zwei bhutanische Holzbildhauer an einem Balken schnitzen, streichelt ein Roboter seine bereits abgeschlossene, KI-generierte, biomorphe Interpretation der traditionellen Schnitzkunst mit einem Pinsel. 

Das Kapitel Collective – in dem gesellschaftliche Fragen angesprochen werden – ist der kürzeste der drei Abschnitte. „We are fucked! You can change it!“ ruft einem dort ein Banner der Initiative HouseEurope! entgegen. Man sieht sich konfrontiert mit dystopischer Survial-Ausrüstung und Modellen von Raumstationen, wie man sie seit Jahrzehnten aus der Science-Fiction kennt. 

Diese Biennale ist in ihrer Widersprüchlichkeit durchaus sehenswert. Sie liefert nicht nur eine Momentaufnahme der Ideen zur Bewältigung globaler ökologischer Herausforderungen. Sie sollte vielmehr als Manifestation eines planerischen Selbstverständnisses gelesen werden, das in der politischen Auseinandersetzung um die Gestaltung der Zukunft eine einflussreiche Rolle spielt.

Dieser Text basiert auf einem redaktionellen Beitrag von BauNetz Meldungen.  

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