
Foto: Marcus Jacobs
Sorgfältig rückbauen, Werte erhalten
„Am Anfang der Kreislaufwirtschaft steht der Rückbau“ – mit diesem Satz begrüßte Katrin Mees vom Zentralverband Deutsches Baugewerbe die zahlreichen Gäste zum Workshop „Schadstoffe im Blick, Kreisläufe im Fokus“ auf dem Klimafestival 2025 in Berlin. Die Verbandsmitglieder André Widera, Mathias Heermann und Louis Delker sprachen dabei über Rückbauplanung, Materialtrennung und Wiederverwendung anhand anschaulicher Projektbeispiele.
Schadstofferkundung zuerst
André Widera ist im Fachausschuss Schadstoffe des Deutschen Abbruchverbands tätig und zeigte dem Publikum zunächst eine Innenaufnahme einer umgebauten Industriehalle. Wo Planer*innen zuallererst die Schönheit des Bestands erkennen mögen, fallen ihm als Schadstoffspezialisten zunächst asbesthaltiger Fensterkitt oder quecksilberhaltige Leuchtstoffröhren ins Auge. Beide Perspektiven seien jedoch wichtig, betonte Widera, schließlich seine Wiederverwendbarkeit nicht ausgeschlossen, selbst wenn Schadstoffe enthalten sind. „Es kommt darauf an, was man damit machen will.“
Er erläuterte daher das Potential, das in einer genauen Schadstofferkundung steckt. Sie sei für den Auftraggeber keine Pflicht, müsse aber wegen des Arbeitsschutzes spätestens vom Rückbauunternehmen durchgeführt werden. Dabei seien die Erkundung – wie übrigens auch das Pre-Demolition-Audit – enorm wichtig, damit Planer*innen im Bilde sind, was wiederverwendet werden kann. „Je früher ich weiß, ob Schadstoffe vorhanden sind, desto gezielter kann ich Rückbauen und desto mehr kann ich eventuell wiederverwenden“, konstatierte Widera. Dass es in der Praxis dennoch zu Überraschungen kommen kann, zeigte sein mitgebrachtes Projektbeispiel, der Umbau des Fachwerkhauses, das er mit seiner Familie bewohnt.
Vom Trennen und Zusammensetzen
Mathias Heerman sitzt nicht nur im Vorstand des Deutschen Abbruchverbands, sondern führt auch ein Rückbauunternehmen. „Selektiver Rückbau dauert immer länger, das muss allen klar sein. […] Aber wir haben einen Vorteil: die technischen Mittel sind so gut wie nie“, verkündete er. Schritt für Schritt führte er das Publikum durch Erkundung, Rückbau, Aufbereitung und Wiederaufbau einer Lagerhalle. Einst gehörte sie Etex (ehemals Eternit), einem Hersteller asbesthaltiger Faserzementplatten. Heute nutzt das Rückbauunternehmen die Halle für seinen Fuhrpark.
Als weitere Projektbeispiele zeigte Heerman eine Friedhofswand, deren Mauerwerk bei einer Hotelfassade wiedereingesetzt wurde, und die Mittelplanke einer Autobahn, deren Betonfertigteile und Ortbeton wiederverwendet bzw. recycelt wurden. Gerade an letzterem Beispiel zeigte sich, wie sehr sich sortenreines Bauen langfristig auszahlt. Heerman meinte gar: „Ich wäre für ein Verbundbaustoffverbot.“ Zu wünschen wäre es!
Zuletzt sprach Louis Delker, Geschäftsführer der LD Umwelt. Der Rückbau und die Entsorgung von Baustoffen seien stark und je nach Bundesland unterschiedlich reglementiert, erklärte er. Zugleich wies er aber darauf hin, dass die Auflagen zu vielen Innovationen in der Branche geführt hätten. Sein Ansatz: Gar nicht erst groß demontieren, sondern ganz gezielt die problematischen Bereiche identifizieren. Plastisch wurde das am Beispiel eines alten Fensters mit asbesthaltigem Kitt, der auch noch PCB-haltig überstrichen wurde: Komplett ausgebaut hätte man die Fenster in Metallkisten unter Tage lagern müssen. Im besten Fall könne man einen sogenannten Schwarzbereich einrichten und den Fensterkitt rauskratzen. So entstünde viel weniger Entsorgungsmasse und zudem könnten die Fenster an Ort und Stelle weiterverwendet werden. Dass sich die Baubranche ein fortwährendes Entsorgen alter Bauteile – oder ganzer Gebäude – nicht weiter leisten kann, führte Delker anhand des Deponienotstands in Deutschland vor.
Die Expertise der Rückbauunternehmen fasste Katrin Mees so zusammen: „Wir haben ein großes Wissen für die Materialien, die wir zurück in den Kreislauf bringen wollen […] Bei Fragen, sprechen sie zuerst mit uns.“
Von Maximilian Ludwig

