Bundesfinanzminister Lars Klingbeil und Bundesbauministerin Verena Hubertz in Berlin beim Pressestatement zum Bau-Turbo im Juni. Foto: Friederike Meyer

Schnellschüsse am Problem vorbei: Mehrere Verbände kritisieren Bau-Turbo

Published On: 3. September 2025

Die Bundesregierung will mit dem sogenannten „Bau-Turbo“ mehr Tempo in den Wohnungsbau bringen. Dafür will sie das Baugesetzbuch novellieren. Am 10. September erfolgt die erste Anhörung des entsprechenden Gesetzentwurfes im Bundestag. Ein Bündnis aus Umwelt-, Sozial- und Architekturverbänden kritisiert den Bau-Turbo mit Blick auf demokratische Planung, soziale Gerechtigkeit und Umweltstandards. Ihre Forderung: erhebliche Anpassungen oder eine komplette Abkehr.

Kern des Gesetzentwurfs ist die Neueinführung von § 246e BauGB, der befristet bis Ende 2030 Abweichungen von bauplanungsrechtlichen Vorschriften erlaubt. Gemeinden sollen durch diesen Bau-Turbo neue Wohnungen bereits nach zwei Monaten Prüfung genehmigen können – ohne Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplans.

Zur Novelle des BauGB zählen weitere Anpassungen wie § 31 Absatz 3 BauGB, der im Geltungsbereich eines B-Plans mehr Wohnbebauung auch über die Vorgaben hinaus ermöglicht. Dies soll Aufstockung, Anbauten oder Bauten in zweiter Reihe erleichtern. Die Anpassung von § 34 Absatz 3b BauGB begünstigt Wohnungsbau im unbeplanten Innenbereich. Künftig könnte in zusammenhängend bebauten Ortsteilen ohne B-Plan von geltenden städtebaulichen Regelungen abgewichen werden. Auch im sogenannten Außenbereich, also in Gebieten ohne B-Plan und außerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, soll einfacher Wohnraum geschaffen werden können.

In einer gemeinsamen Erklärung lehnen Fachverbände vor allem den § 246e BauGB in seiner aktuellen Fassung ab. Zu dem Bündnis gehören die Bundesarchitektenkammer (BAK), die Deutsche Umwelthilfe (DUH), Architects for Future (A4F) und Der Paritätische Gesamtverband. Der Bau-Turbo gehe an den Problemen der Wohnungsnot vorbei, weil er weder Bodenpreise noch Baukosten oder Spekulation adressiere. Die geplanten Fristen würden Beteiligungsrechte schwächen und zu teuren Einzellösungen führen.

Außerdem fehlten verbindliche Vorgaben für bezahlbaren Wohnraum, was renditeorientierte Projekte begünstige. Besonders kritisch bewerten die Verbände die Aushebelung bewährter Planungsinstrumente in der Außenentwicklung. Sie mahnen dabei nicht nur ökologische Risiken wie Flächenversiegelung oder Biodiversitätsverlust an, sondern auch steigende Infrastrukturkosten infolge von Zersiedelung.

Das Bündnis fordert vom Bundesbauministerium um Verena Hubertz (SPD) daher grundlegende Nachbesserungen. Der Anwendungsbereich des Bau-Turbos müsse auf angespannte Wohnungsmärkte und den Innenbereich begrenzt werden. Neubauten sollten mindestens sechs Wohneinheiten umfassen, die Hälfte davon dauerhaft bezahlbar. Wichtig seien zudem verbindliche Baugebote mit Fristen von eineinhalb bis drei Jahren, um Spekulation zu verhindern.

Statt „Schnellschüssen“ und „Wohnungsbau um jeden Preis“ müsse der Fokus auf dem Bestand liegen, so die Verbände. „Umbau und Sanierungen seien schneller, günstiger und ressourcenschonender“, so Barbara Metz von der DUH. „Wer wirklich schnell Wohnraum schaffen will, braucht keinen ‚Bau-Turbo‘, sondern einen ‚Umbau-Turbo‘“, sagt auch Elisabeth Broermann von A4F.

Das Gesetzgebungsverfahren soll noch 2025 abgeschlossen werden. Der Bundesrat muss dem Gesetz nicht zustimmen. Die Sitzung im Bundestag am 10. September ist öffentlich und wird live übertragen.

Dieser Text basiert auf einem redaktionellen Beitrag von BauNetz Meldungen.

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