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Fürs Marketing, für die Finanzierung, für den Umweltschutz – Dürfen wir Zertifikaten vertrauen?
Vertrauen ist ein kostbares Gut – so kostbar, dass man damit viel Geld verdienen kann. Mit Blick auf den Klimawandel haben Zertifikate, Gütesiegel und Labels, die einem Bauprojekt oder -produkt Nachhaltigkeit bescheinigen, Hochkonjunktur. Auf dem Klimafestival 2025 diskutierte Katrin Mees mit Klaus Winkels, Tillmann Prinz, Felix Janssen und Alfred Schumm über Standards und Zukunft der Zertifizierungsindustrie. Genau hinschauen ist gefordert. Oder lässt sich auf Labels gar ganz verzichten?
Katrin Mees, unter anderem tätig im Zentralverband Deutsches Baugewerbe und Moderatorin der Podiumsdiskussion, warf eingangs Schlaglichter auf den „Zertifikatdschungel“, in dem Interessensgruppen Labels nutzen, um eigennützige Ziele zu verfolgen. Nicht überprüfbare Behauptungen sind Marketinginstrumente. Ist das der Grund, warum es solche Zertifikate überhaupt gibt? Klaus Winkels von der Gemeinschaft Emissionskontrollierte Verlegewerkstoffe, Klebstoffe und Bauprodukte (GEV) riss die Geschichte von Emicode an. Das verbandseigene Kennzeichnungssystem hat seinen Ursprung in den frühen 1990er-Jahren, als chemische Industrie und Behörden über eine Lösemittelverzichtserklärung diskutierten. Austretende Dämpfe und das sogenannte „Sick Building Syndrom“ waren da bereits seit längerem Thema in der Öffentlichkeit und Hersteller hatten begonnen, eigene Labels zu entwickeln. „Es bedurfte eines Systems, […] für die Industrie selber […] aber auch für die Verbraucher“, sagte Winkels. Gemeinsame Standards mussten also her!
Neben gesundheitsschädlichen Substanzen erregen heute auch die globalen Folgen der Baustoffproduktion viel Aufmerksamkeit. Im Vorfeld des Klimafestivals stellte die ARD-Dokumentation „Verschollen – Schmutzige Geschäfte mit dem Klimaschutz“ die Glaubwürdigkeit des Forest Stewardship Coucils (FSC) infrage. Dessen Siegel ist wichtig für den Handel mit CO₂-Zertifikaten, bei dem die Emissionen hierzulande durch Aufforstungsprojekte anderswo ausgeglichen werden sollen. In der Dokumentation ging es um einen Fall, bei dem die Aufforstung – in Form von Eukalyptus-Monokulturen – den Wasserhaushalt und damit die Lebensgrundlagen der lokalen Bevölkerung gefährdet.
Darauf angesprochen klärte Alfred Schumm, Geschäftsführer von FSC Deutschland, über Überprüfungs- und Ausschlussmechanismen auf. FSC arbeitet mit dem Akkreditierungsunternehmen Assurance Services International (ASI) zusammen, welches das Zertifizierungssystem überprüft. Wird etwas beanstandet, müssen die betreffenden Unternehmen einen Verbesserungsplan vorlegen. Zum Ausschluss führen etwa Verstöße gegen Menschenrechte oder das Umwandeln von Regenwald in Aufforstungsflächen. Unter anderem sollen Stichproben Unregelmäßigkeiten aufdecken, sogenannte Ringversuche sollen Korruption bei den Prüflaboren entlarven. Die FSC-Zertifikate sind übrigens alle öffentlich einsehbar. Mittlerweile hat FSC eine ausführliche Stellungnahme zur ARD-Dokumentation vorgelegt.
Welche Funktion übernehmen Siegel im Rahmen der Bauwende – und der Bauwirtschaft? Tillmann Prinz von der Bundesarchitektenkammer stellte klar: „Niemand braucht ein Label, um nachhaltig zu planen und zu bauen, aber es muss natürlich dokumentiert werden. Und da kommt das Label ins Spiel.“ Felix Janssen von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) sprach von der Bedeutung der Zertifikate bei der Finanzierung von Bauprojekten durch Förderprogramme oder Banken. Er plädierte dafür, sich fortzubilden und „nicht alles zu glauben, was einem irgendjemand erzählt“.
Von Maximilian Ludwig
