Foto: Claudia van Ravesteijn

Design for Disassembly: Neue Wege in Architektur und Industrie

Published On: 5. Dezember 2025

Im Sonderbereich GREENTERIOR auf dem Heinze Klimafestival in der STATION Berlin diskutierten Fachleute aus Design, Architektur und Industrie, wie Möbel und Innenräume so gestaltet werden können, dass sie am Ende ihres Lebenszyklus nicht zu Müll, sondern zu neuem Material werden. Unter dem Titel „Design for Disassembly – Strategien vom Produkt bis zum Raum“ moderierte Jasmin Jouhar eine lebhafte Runde mit Dirk Hindenburg (Klöber), Sabine De Schutter (Studio De Schutter) und Thilo Reich, Architekt und Designer.

Im Mittelpunkt stand die Frage, wie Planung und Gestaltung Räume und Produkte so verändern können, dass Bauteile unversehrt bleiben und in neuen Kontexten wiederverwendet werden. „Demontage darf kein Abriss sein, sondern eine Transformation“, lautete die Leitidee. Die heute übliche Praxis zerstört brutal und lässt wertvolle Ressourcen und Technik verloren gehen. Das Podium zeigte anhand vieler Beispiele, dass es auch anders geht.

Sabine De Schutter, Lichtplanerin, kritisierte, dass die Branche beim Einsatz von Technik hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt. Oft werden Leuchten verklebt oder fest montiert, was einen zerstörungsfreien Rückbau unmöglich macht. Dabei lassen sich LED-Chips in vielen Systemen austauschen – doch diese Information fehlt häufig, sowohl bei Planenden als auch bei Kundinnen und Kunden. Für De Schutter beginnt zirkuläres Design in der frühen Planung, damit Demontage und Reparatur nicht erst zum Problem werden, wenn es zu spät ist. Die Herausforderung liege nicht nur in der Technik, sondern auch in der Akzeptanz: Re-Use bringe eine andere Ästhetik mit sich, geprägt von lokaler, individueller Materialität, die den Menschen erst nähergebracht werden müsse.

Auch Dirk Hindenburg betonte die Verantwortung der Hersteller. Klöber setzt bereits auf sortenrein trennbare Materialien und baut Produkte so, dass sich einzelne Komponenten austauschen lassen. Langlebigkeit, Designanspruch und Materialqualität bilden die Grundpfeiler der Unternehmensphilosophie. Doch Langlebigkeit allein reicht nicht, wenn Bauteile am Ende doch im Müll landen. Hindenburg wies darauf hin, dass Rücknahmesysteme für Möbel bisher kaum existieren. Klöber arbeitet bereits an einem System, doch viele Fragen bleiben offen: Wer holt die Produkte zurück? Wie funktioniert die Logistik deutschlandweit? Und wie lassen sich wirtschaftliche Strukturen schaffen, die nicht nur auf Idealismus beruhen? Frankreich sei hier weiter, da Gesetze die Branche verpflichten.

Thilo Reich, Architekt und Designer, beleuchtete den materiellen Stadtraum. Frustriert von der Wegwerfmentalität im temporären Messe- und Gastronomiebau begann er, lokale Abfallmaterialien in hochwertige Interieurs zu verwandeln. In einem Berliner Restaurantprojekt ließ er Pflastersteine aus Neuköllner Straßen zu glänzenden Tischoberflächen verarbeiten. Fliesen aus Berliner Hinterhöfen fanden neue Verwendung, alte Holzböden wurden zu Tischplatten. Was zuvor als Abfall galt, verwandelte sich durch Handarbeit und Veredelung in etwas von hohem ästhetischen Wert. Reichs Ansatz widersetzt sich kurzlebigen Trends und setzt auf die Geschichte des Materials.

Alle Podiumsteilnehmenden waren sich einig: Kreislauffähiges Design ist anspruchsvoll. Es erfordert Zeit, Aufwand und oft höhere Kosten. Wo konventionelle Produkte einfach bestellt werden, verlangen Re-Use-Projekte intensive Planung und die Bereitschaft, Neues auszuprobieren. Hinzu kommen bürokratische Hürden, fehlende Transparenz in Lieferketten und eine Planungsroutine, die Entsorgungsfragen oft ignoriert – meist, weil sie erst am Ende sichtbar werden.

Trotzdem herrschte Aufbruchstimmung. Kundinnen und Kunden reagieren zunehmend positiv auf Räume und Produkte mit Geschichte. In der Hospitality-Branche wird Individualität bereits als Qualitätsmerkmal geschätzt, nicht als Kompromiss. Die Ästhetik des Gebrauchten kann luxuriös wirken – und nachhaltiges Design zum Erlebnis machen.

Die Runde endete mit einer klaren Botschaft: Design for Disassembly ist kein Nice-to-have, sondern ein zentraler Baustein für den Wandel im Bau- und Produktdesign. Wenn Hersteller Rücknahmesysteme entwickeln, Planende demontierbare Konstruktionen entwerfen und Designer neue Werte im vermeintlichen Abfall entdecken, wird aus dem linearen Wegwerfprinzip eine echte Kreislaufkultur. Rückbau bedeutet dann nicht Verlust, sondern den Beginn von etwas Neuem.

Von May-Britt Frank-Grosse

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