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Zirkuläres Bauen & Materialkreisläufe
Was wir brauchen, ist ein grundlegendes Umdenken in Design, Produktion und Materialeinsatz. Nachhaltigkeit darf nicht nur ein Schlagwort sein, sondern muss sich in allen Prozessen widerspiegeln, von der Entwicklung bis zur Rückführung der Produkte. Die zentrale Frage lautet: Lohnt sich dieser Weg für Hersteller und Verarbeiter? Die Beispiele zeigen, dass es nicht nur möglich, sondern notwendig ist.
Erfurt & Sohn KG, ein Unternehmen mit langer Tradition seit 1827, setzt auf Innovation in der achten Generation. Die klassische Raufasertapete, einst reine Dekoration, wird heute als Rohstoffquelle neu gedacht. Auch gestrichene Tapeten können zurückgeführt werden, ein entsprechendes Patent ist angemeldet. Kleister besteht aus Cellulose, Farben aus Kreide und natürlichen Inhaltsstoffen. Gespräche mit Entsorgungsunternehmen wie Remondis laufen, um die Rückführung zu organisieren. Die Qualität bleibt dabei erhalten, die Produkte sind Cradle-to-Cradle zertifiziert. Das Image der Raufaser wird neu positioniert: Vliesraufaser ist wohngesund und speichert sogar CO₂ beim Tapezieren. Erfurt verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz und fordert eine bewusste Nutzung der Ressourcen.
Austrotherm, Hersteller von Polystyrol-Produkten wie Kelleraußenwanddämmungen, zeigt, wie sich Märkte verändern. In Österreich existiert bereits ein eigenes Rückholkonzept, in Deutschland arbeitet man mit Dienstleistern. Verunreinigungen werden geprüft, Materialien in verschlossenen Säcken gesammelt, eingeschmolzen und zu neuem Granulat verarbeitet. Das Unternehmen produziert seinen Strom selbst und ist EU-rechtskonform sowie mit dem Ecovadis-Gold-Zertifikat ausgezeichnet. Dennoch bleibt die Herausforderung groß: Handwerksbetriebe müssen überzeugt und geschult werden, denn Kommunikation ist der Schlüssel.
Otto Lehmann, ein traditionsreiches Unternehmen seit 1851, setzt auf langlebige Metallprodukte wie den Bestseller „Aufdachmodulhalter“. Ziel ist ein hoher Lebenszyklus und Wiederverwendbarkeit. Die modernste Feuerverzinkerei Europas ermöglicht eine lange Haltbarkeit. Ein Rückgabesystem ist in Planung. Es wird betont, dass Unternehmen mutig handeln müssen, unabhängig von politischen Vorgaben. Härtere Gesetze wären wünschenswert, doch der Mittelstand denkt ohnehin mittel- und langfristig. Imagearbeit ist entscheidend, um die Vorteile von Metall und Recycling zu vermitteln.
Alle drei Beispiele zeigen: Nachhaltigkeit ist komplex, aber machbar. Sie erfordert Anpassungen, neue Kooperationen und eine offene Kommunikation. Eine Art „Koalition der Willigen“ könnte Synergien schaffen. Politik kann den Wandel beschleunigen, doch Unternehmen sollten nicht warten. Wer heute mutig handelt, sichert sich morgen Wettbewerbsvorteile – ökologisch und ökonomisch. Die Zukunft liegt in ganzheitlichen Lösungen und der bewussten Nutzung unserer Ressourcen.
Podiumsdiskussion
Zirkuläres Bauen & Materialkreisläufe
Referierende
Dirk Baune – Austrotherm Dämmstoffe GmbH
Sebastian Engelskirchen – Otto Lehmann GmbH
Felicitas Erfurt-Gordon – Erfurt & Sohn KG
Martin Prösler – Proesler Kommunikation
Von Silvia Ernst

