Buchtipp: Ästhetik der Technik

30. April 2025

Foto: Ruby Press

Für gebaute Referenzen, die sich aus klimatischen Prinzipien ableiten, muss man gar nicht weit zurückblicken. In den 1970er bis 90er Jahren entstand eine eigenständige architektonische Richtung. Die Ökomoderne fliegt heute dennoch weitgehend unter dem Radar. Obwohl ihre Vertreter schon damals auf Lowtech-Konzepte setzten. 

Einen kleinen Beitrag zur Reputation ökomoderner Architektur bietet das sympathische dünne Buch Ästhetik der Technik, das Christina Köchling mit der Bauhaus-Universität Weimar herausgegeben hat. Gemeinsam mit Studierenden und Kolleg*innen aus Entwurfslehre, Architekturgeschichte und Klimaingenieurwesen haben sie sich „drei lustvolle Häuser“ vorgenommen: das Baumhaus in Darmstadt von Ot Hoffmann, das Solarhaus in Zollikofen von Rolf Schoch (Aarplan) und das Internationale Begegnungszentrum IBZ Berlin von Otto Steidle, das die Gruppe programmatisch passend „Lufthaus“ taufte. 

Der Buchtitel mutet zunächst paradox an. Wenn es doch um Lowtech, also wenig Technik geht, warum steht gerade deren Ästhetik auf dem Cover? Die Autor*innen verstehen Haustechnik als integralen Bestandteil des Entwurfs – als Übersetzung mikroklimatischer Vorgänge in Architektur für passives Lüften, Kühlen oder Heizen. So erklären sich die drei Gebäude erst über das Verständnis von Wasserspeicherung, Sonneneinstrahlung oder Luftzirkulation.

Die ganzseitigen, detailverliebten Fotografien machen sofort klar, warum die Autor*innen vom Lustvollen sprechen. Die Häuser erscheinen wie große, bedienbare Maschinen. Anders als bei blackbox-artigen Niedrigenergiehäusern sind die sprichwörtlichen Rädchen im Getriebe (Öffnungsmechanismen, Luftauslässe, Gitter und Rohre) hier Teil der Gestaltung.

Köchling und Team stellen die architektonischen Konzepte und ihre tatsächliche Performance gegenüber. Dazu führten sich nicht nur physikalische Messungen vor Ort durch, sondern auch Interviews. Das IBZ Berlin basiert auf einem Lüftungskonzept mit verschiedenen Pufferzonen. „Man muss seine Lebensweise auf die Wintergärten abstimmen“, erklärt Architekt Siegwart Geiger, Teil des Planungsteams um Steidle.

Um das Solarhaus mit seiner geneigten Wintergartenfassade richtig zu bewohnen, müsse man „manchmal vom Büro nach Hause kommen, um eine neue Stellung der Klappen vorzunehmen“, berichtet ein Bewohner. Ot Hoffmanns Baumhaus könnte man durchaus „Falling Water“ nennen. Immerhin begründen sich seine üppig begrünten Terrassen aus der Weiterleitung und Speicherung von Wasser. Den heutigen Regenbedingungen hält es ohne ein bauliches Update jedoch nicht mehr Stand.

„Allen drei Häusern wohnt ein Experiment inne“, so die Autor*innen. Sie arbeiten sowohl die Vorbildfunktion für heutige klimagerechte Architektur als auch ihre Schwächen heraus. Ihr Fazit bringt ein Zitat von Rolf Schoch treffend zum Ausdruck: „Der Mensch ist das Regelsystem dieser Häuser.“

Ästhetik der Technik
Christina Köchling, Bauhaus-Universität Weimar (Hg.)
168 Seiten
Ruby Press, Berlin 2025
ISBN 978-3-944074-56-6
38 Euro

Dieser Text basiert auf einem redaktionellen Beitrag von BauNetz Meldungen. 

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